„Tagespflege ist mehr als nur Pflege“

Interview mit Mirela Rapp von der Caritas-Tagespflege in der Carl-Friedrich-Straße

Seit vergangenen Herbst besteht die Tagespflege der Caritas im Dörfel In der Carl-Friedrich-Straße in Rastatt.  Leiterin der Einrichtung ist Mirela Rapp. Sie beantwortet Fragen des „Miteinander“, die Menschen vor der Entscheidung stehen, sich oder Angehörige in der Einrichtung anzumelden, immer wieder haben.

Miteinander: An wen richtet sich die Tagespflege? Was zeichnet einen Gast typischerweise aus?

Mirela Rapp: Unsere Einrichtung ist für alle mit einem Betreuungs- und Unterstützungsbedarf. Vereinzelt kommen Menschen, die einsam sind und keine Tagesstrukturen haben. Überwiegend geht es aber um Unterstützung und Hilfestellung für Gäste in der Zeit ihres Aufenthaltes in der Tagespflege. Die Gäste können ein breites Beschäftigungsangebot wahrnehmen: Neben kreativen Dingen wie Handarbeiten stehen auch leichte Gymnastik, Singen, Tanzen oder Musikhören auf dem Programm. Die Tagespflege weit über den Begriff der reinen Pflege hinaus. Natürlich unterstützen wir sie bei den Mahlzeiten oder den Toilettengängen.

Miteinander: Wenn ein Gast neu angemeldet wird, auf wessen Initiative geht dies meist zurück?

Mirela Rapp: Überwiegend kommen die Angehörigen auf uns zu. Die Frage dabei ist immer, wie finden die Angehörigen heraus, dass es bei uns, beim Caritasverband für den Landkreis Rastatt, ein solches gutes Angebot gibt. Impulse kommen meist vom Hausarzt, einem ambulanten Dienst oder einer Sozialstation. Es ist selten, dass Angehörige selbst die Tagespflege, die sie enorm entlasten kann, auf dem Schirm haben. Sehr selten, das kommt auch vor, ruft ein Pflegebedürftiger an und sagt ich habe da einmal, gehört dass, es diese Tagespflegeeinrichtung gibt. In Rastatt sind wir für die kurz Zeit, in der wir geöffnet haben, ganz gut unterwegs. Aber wir müssen den Bekanntheitsgrad steigern, das Quartier Dörfel stärker einbeziehen, Vereine in der Stadt auf uns aufmerksam machen und in den kommenden Monaten einmal für die Bürger in Rastatt und Umgebung einen Tag der offenen Tür veranstalten. Generell müssen wir mehr in das Bewusstsein der Bevölkerung verankern, was für eine Funktion eine Tagespflege hat. Wegen der Pandemie waren niederschwellige Angebote, die Einrichtung einmal kennenzulernen nicht möglich. Vorbeizuschauen, um mal kurz einen Kaffee zu trinken, war halt nicht möglich. Im Moment läuft die Empfehlung für unsere Tagespflege durch Angehörige, die ihre Pflegebedürftigen hier bei uns haben und mit unserem Personal zufrieden sind.

Miteinander: Was macht die Qualität der Betreuung in der Tagespflege aus?

Mirela Rapp: Die Arbeitskräfte müssen in der Praxis wissen, wie Menschen beispielsweise mit Depressionen oder beginnender Demenz betreut werden. Dazu gehört viel an Erfahrung und Qualifizierung. Da ist die Caritas eine gute Adresse. Manchmal ist der Altersunterschied unserer Gäste mehr als 60 Jahre. Vor einiger Zeit hatten wir einen 30-Jährigen mit einem Krebsleiden, bei dem zur Entlastung der Angehörigen eine gewisse Betreuung und Unterstützung nötig war. Aktuell ist das Alter unserer Gäste in der Tagespflegezwischen 51 und 99 Jahren.

Miteinander: Die meisten Gäste, die das Angebot der Tagespflege nutzen, werden abgeholt?

Mirela Rapp: Ein Fahrer der Caritas holt sie im behinderten- und rollstuhlgerechten Bus in den meisten Fällen direkt von ihrer Haustür am Morgen ab und bringt sie am Abend zurück. Es gibt aber auch einige, die hier im Dörfel wohnen und selbst zu Fuß kommen. Das gefällt mir. Der Großteil der Gäste nutzt den Fahrdienst, was auch für die Angehörigen bequem ist.

Miteinander: Wie beginnt der Tag in Rastatt beziehungsweise Durmersheim?

Mirela Rapp: Die offizielle Öffnung ist in Rastatt um 8.30 Uhr. In Durmersheim ist es etwas früher. Wir beginnen mit der Abholung unserer Gäste gegen 8 Uhr. Die ersten Gäste kommen dann um 8.30 Uhr. Aber das ist alles sehr individuell. Es kommt auf den Bedarf von Gästen und Angehörigen an. Manche kommen erst um 10 Uhr oder später. Der Tagesrhythmus von Menschen ist unterschiedlich. Darauf wird Rücksicht genommen. Das hängt auch von den Pflegediensten ab. Zu nicht wenigen kommt vor der Abfahrt mit dem Bus noch eine Pflegerin, um ihn zu waschen oder Medikamente zu geben. Das muss gut abgestimmt sein. Wir sprechen dies alles mit unseren Gästen und den Angehörigen gut ab, um eine möglichst individuell zugeschnittene Lösung zu finden.

Miteinander: Wie sieht ein typischer Tagesablauf in den Caritas-Tagespflegen in Rastatt aus? Was für ein Programm wird ihren Gästen geboten?

Mirela Rapp: Wir frühstücken gemeinsam. Danach lesen wir zusammen die Tageszeitung und sprechen über einzelne Artikel und lokale Ereignisse. Die Besonderheiten des Tages, die dort zu lesen sind, sind ein aktivierendes Angebot. Das wird so gestaltet, dass jeder in irgendeiner Form teilnehmen kann Es geht nicht nur um die Aktivierung, sondern auch um das positive Erlebnis in der Gemeinschaft. Danach laden wir zu Atemübungen auf der Basis von Yoga-Techniken ein. Vor der Mittagszeit beschäftigen wir uns vielleicht mit Kuchenbacken oder kreativem Handwerken. Unsere Betreuungskräfte haben da regelmäßig tolle Ideen, die dem Bedürfnis unserer Gäste gerecht werden. Am Nachmittag gibt es manchmal Gartenarbeit oder Setzlinge ziehen. Regelmäßig haben wir Wochen, in denen wir unser Beschäftigungsangebot unter eine Thematik stellen. Beispielsweise „Kunst und Kultur“ oder „Reisen ohne Koffer“. Unsere Mitarbeiter habe da künstlerische Freiheit. Sie bringen viele Ideen ein, die zur Auflockerung des Tagesablaufs beitragen. Wem von den Gästen das zu viel wird, der kann sich in einen Ruheraum zurückziehen. Und wir haben stets Alternativangebot vorbereitet. Ein gemeinsamer Singabschluss ist immer gegeben.

Miteinander: Gute Pflege ist nicht billig. Kann sich jeder eine solche Einrichtung leistet. Kurz: Was kostet das alles?

Mirela Rapp:  Es ist tatsächliche so, dass Tagespflege pauschal betrachtet, nicht günstig ist. Aber bei genauerem Hinsehen, sieht das anders aus. Dafür ist die Pflegekasse da. Jeder Mensch, hat je nach Pflegegrad einen Anspruch auf finanzielle Unterstützung. Das nennt sich teilstationäre Leistung. In der Tagespflege. Dabei geht es um die Pflegegrad zwei bis fünf. Zum Besuch der Tagespflege werden getrennt von der übrigen Pflege je nach der Stufe ein Betrag zwischen 689 bis 1995 Euro monatlich von der Pflegekasse bezahlt. Wie bei sonstigen Kassenleistungen ist ein Eigenanteil beizusteuern. Diese teilstationären Leistungen, das ist für Pflegebedürftige und ihre Angehhörigen wichtig, haben nicht mit dem Pflegegeld oder den Pflegeleistungen zu tun. Da wird nichts gekürzt oder gegengerechnet. Aber was das Finanzielle angeht. Beraten wir die Angehörigen gerne.

Miteinander: Wie sieht es im Monat mit den Wartelisten der Tagespflegeeinrichtungen bei der Caritas aus?

Mirela Rapp: Wir haben immer versucht, alles möglich zu machen. Aber natürlich hat es Kapazitätsgrenzen, weil die jeweilige Gruppe eine bestimmte Größe unter keinen Umständen überschreiten. Wegen der Pandemie haben die Angehörigen Ängste gehabt, ihre Pflegebedürftigen zu schicken. Lange Wartelisten wie vor Corona als manche Angehörige händeringend nach einem Platz gesucht haben sind vorbei und die Tagespflege in Rastatt hat uns Entlastung gebracht. In Durmersheim gibt es einige wenige Plätze, in Rastatt gibt es gute Chancen. Was vielleicht wichtig ist: In der Tagespflege gibt es eine kleine gerontopsychiatrische Gruppe und eine größere Gruppe für körperlich eingeschränkte Menschen. Wir werden damit unseren Gästen auf unterschiedliche Weise gerecht, entsprechend ihrem jeweiligen Krankheitsbild.

Miteinander: Wenn Sie jetzt noch einen Wunsch für ihre Tagespflegen hätten?

Mirela Rapp: Oh, da fällt mir sofort etwas ein, was die öffentlichen Träger nicht bezahlen, eine Rikscha. Zwar hat die Caritas-Stiftung eine finanzielle Zusage gegeben, aber leider ist ein geeignetes Gefährt mit über 10.000 Euro verdammt teuer. Vielleicht finden sich noch Spender. Ich träume davon, mit einem solchen, elektrisch betriebenen Gefährt, unseren Tagespflegegästen etwas Besonderes bieten zu können. Einmal nicht mit dem Kleinbus chauffiert zu werden, sondern in einem offenen Gefährt einmal nach Jahren wieder aus seiner eigenen Wohnung oder der Tagespflege herauszukommen. Durch einen Park der Umgebung gefahren zu werden, die Vögel einmal wieder zwitschern zu hören, den Wind, um die Nase wehen zu lassen und dorthin hautnah zu kommen, wo man schon lange nicht mehr war.

Rastatt, im Juni 2022